Gebrauchtwagen Praxis 01/2007: Klare Aufgaben für 2007: zurück zur Auswahl

Klare Aufgaben für 2007

"Gebrauchtwagen Praxis" hat sechs Experten nach ihren Prognosen für das gerade begonnene Jahr gefragt: Die Gewinner des ..Innovationspreis Gebrauchtwagen-Business 2006" Christof Gerhard, Alfred Seger und Jürgen Heyne, die Professoren Dr. Stefan Reindl und Dr. Wolfgang Meininig sowie den BVfK-Vorstand Ansgar Klein. Somit ergibt sich ein Meinungsspektrum, das von akademisch über verbandspolitisch bis hin zu pragmatisch-praktisch reicht. Egal aus welcher Sichtweise unsere Experten den GW-Markt betrachten, unterm Strich kommt immer das Gleiche heraus: Das GW-Geschäft steht aufgrund der offensiven NW-Verkaufsförderungsaktionen im vergangenen Jahr vor der Herausfor­derung, die Bestände nachfragegerecht zu sortieren, um wieder rentabel arbeiten zu können. Gleichzeitig muss der Vertrags­handelsein Image als GW-Anbieter polieren, um nicht erneut Marktanteile an den Privatmarkt zu verlieren. Die Aufgaben sind also klar definiert. Die To-do-Liste kann gefüllt werden.

Chrislof Gerhard, Geschäftsführer von Christof Gerhard + Partner iCGPI

Saubere Bestände schaffen!

Wir rechnen damit, dass die Besitzumschreibungen im kommenden Jahr ihren leichten Aufwärtstrend fortsetzen werden, da die positiven Verbraucherkennzahlen seit einigen Monaten im Räume stehen und durch die Mehrwertsteuererhöhung nicht stark eingebremst werden. Darüber hinaus ist die Haltedauer der Gebrauchtwagen länger geworden. Viele Käufer müssen ihr Fahrzeug dringend austauschen. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Hersteller versuchen werden, durch Eintauschpramien für Gebrauchtwagen den NW-Markt zu beleben. Dies wird sich ebenso positiv auf die Besitzumschreibungen 2007 niederschlagen.

Eine der wichtigsten Aufgaben für das kommende Jahr ist, saubere Bestände in den Autohäusern zu schaffen. Leider ist im Fabrikatshandel die Bestandssituation nicht gut.45% der Gebrauchtwagen stehen über 90 Tage.Das führt zu großen Verlusten. Die Händler müssendringend die Bestände bereinigen. Beispielsweise könnten Incentives die Verkäufer dazu motivieren, die Langsteher abzubauen. Jedoch sollten die Händler auch Maßnahmen ergreifen, um erst gar keine neuen Langsteher aufzubauen. Diese Maßnahmen könnten standtageorientierte Entlohnungssysteme sein oder eine starke Konzentration auf den Abverkauf der Gebrauchtwagen zwischen dem 31. und 90. Standtag.

Die Ertragsmöglichkeiten bei den Gebrauchtwagen, die in den ersten 30 Tagen verkauft werden, nutzen die Händler nicht richtig. Sie sollten genau überlegen, welche Gebrauchtwagen an einen Händler verkauft werden und welche ins Privatkundengeschäft gehen. Händlergeschäfte bringen meist schlechtere Erträge. Die Fahrzeuge für das Privatkun-dengeschäft sollten in den ersten 30 Tagen teurer sein, denn in diesem Zeitraum werden über 50 % davon verkauft. Es ist nicht nötig, dass die Autos in den ersten 30 Tagen schon auf der ersten Seite im Internet stehen.

Zudem muss das Händlerimage als Gebrauchtwagenanbieter gestärkt werden. Die Privatkunden halten nach wie vor Gebrauchtwagen im klassischen Kfz-Handel für zu teuer. Die Händler sollten ihre Vorzüge herausstellen und stärker mit ihren Garantien, dem Umtauschrecht sowie dem Qualitätscheck etc. werben. All dies kann der Privatmarkt nicht bieten.


Ansgar Klein, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes freier Kfz-Händler IBVfKt Vorstandsvorsitzender der European Car Dealer Association [ECDA]

Der Händler badet es aus!

Wir rechnen mit einer Belebung des GW-Marktes im kommenden Jahr, die sich im Wesentlichen durch die anspringende Konjunktur und dem Nachfragestau aus den vergangenen Jahren ergeben wird. Zu berücksichttgen ist auch, dass die Fahrzeuge zwar haltbarer sind, jedoch wenige kleine Reparaturen so kostspielig werden können, dass Investitionen nicht mehr lohnen. Der Spielraum nach unten, durch Billigreparaturen ein altes Schätzchen zu erhalten, wird durch komplizierte Technik immer mehr begrenzt.

Dem Vertragshandel rate ich, sich beim freien Handel abzuschauen, dass im GW-Geschäft weniger Aufwand oft mehr Ertrag bringt. Insgesamt sehe ich folgendes Problem für den GW-Handel:

1. Das neue Schuldrecht hat zwar viel Positives gebracht, doch lassen die jüngsten Urteile aus Düsseldorf und Stuttgart Unheil befürchten. Beide Male ging es um die Definition eines Mangels. Es wurde entschieden, dass z.B. das Automatikgetriebe eines Renault Laguna nicht nach 80000 km einen Exitus erleiden darf. Denn die übliche Erwartung der Getriebelebensdauer hat sich nicht an der von Renault produzierten Qualität zu orientieren, sondern an Vergleichsfahrzeugen der entsprechenden Klasse. Somit muss der Handel für Konstruktions- und Produktionsmängel der Hersteller haften, ohne hierfür Rückgriff nehmen zu können. Das kann zu einer Sozialisierung der Hersteller führen und es ist zu befürchten, dass sich der Verbraucher einen Landwind oder Brilliance kauft und so lange auf Kosten des Händlers nachbessern lasst, bis er den Standard seiner deutschen Vorbilder erreicht hat.


Alfred Seger, Geschäftsführer von Seger Automobile

An der Qualität arbeiten!

Ich rechne damit, dass sich die Besitzumschreibungen auch im kommenden Jahr positiv weiterentwickeln. Denn die Mehrwertsteuererhöhung wirkt sich ja bei Gebrauchtwagen weniger aus. Demzufolge wird sie in den ersten Monaten des neuen Jahres eher den Gebrauchtwagenmarkt fördern. Hinzu kommt, dass auf dem Markt viele junge Gebrauchte angeboten werden. Der Verbraucher wird den Preisvorteil zum Neuwagen - trotz diverser Sonderaktionen und -rabatte registrieren. Der Gebrauchtwagenmarkt Läuft im Wesentlichen über die Internetbörsen ab. Daher sind die Angebote der großen Internetbörsen ein entscheidendes Marktbarometer. Absolut wichtig ist allerdings, dass die Angebote realistisch sind, das heißt, die angebotenen Preise sollten Endpreise und das Fahrzeugangebot stets auf dem aktuellen Stand sein. Ich wünschte mir in diesem Zusammenhang, dass die Anbieter der Internetbörsen mehr tun, um die Angebotsqualität zu verbessern.


Jürgen Heyne, Herausgeber von AutoReale.de ®

Schluss mit denn Rabattwahnsinn!

Die Rabattaktionen des Neuwagenhandels wirken sich stark auf die Restwerte und damit auf die Kaufpreise der Gebrauchtwagen aus. Eigentlich sollte doch jedem Händler klar sein, dass beispielsweise ein Preisnachlass in Höhe der Mehrwertsteuer keinesfalls den Marktpreis eines Gebrauchtwagen erhöht. In einem solchen Fall hätte der Händler gleich zweimal Grund zu klagen: Einmal wegen der Verluste durch falsch kalkulierte Gebrauchtwageneinkäufe und zum anderen wegen der schon vorprogrammierten Langsteher; denn schließlich will kaum ein Händler seinen Verlust eingestehen. Diejenigen Händler, die sich von den Rabattschleudereien im Neuwagenbereich nicht beeindrucken lassen und ihre Gebrauchtwagen zu den tatsächlichen Marktpreisen einkaufen, können hervorragende Erträge generieren. Eine solche Preispolitik wäre sicherlich die beste Lösung, doch dazu braucht es Mut und Entschlossenheit, sich der Rabatt-Unsitte entgegenzustellen. Und die haben nicht viete Händler.

Doch es hilft niemandem weiter, zu lamentieren und in akademischen Zirkeln über die Zukunft des Automobilhandels zu debattieren. Das Wichtigste ist der Verkauf! Verkaufen heißt nichts anderes als Geschäfte machen. Und ein Geschäft ist dann ein gutes Geschäft, wenn sowohl Käufer als auch Verkäufer etwas davon haben. Nur: Das wird leider zu oft aus den Augen verloren.


Prof. Dr. Stefan Reindt, Institut für Automobitwirtsctiaft (IFA)

Sortiment neu ausrichten!

Aktuelle Berechnungen am Institut für Automobilwirtschaft zeigen, dass der Gebrauchtwagenmarkt in Deutschland auch langfristig nur verhaltene Wachstumschancen hat. Die Marktdaten des nächsten Jahres werden sich nur geringfügig von der Situation im Jahr 2006 unterscheiden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das GW-Geschäft der Autohäuser stark auf junge Fahrzeugsegmente ausgerichtet ist. Hierin finden sich neben den Kurzzulassungen der Autohäuser und den jungen Gebrauchtfahrzeugen der Fuhrparks und Autovermieter auch die Jahres- und Dienstwagen der Automobilherstellen Die GW-Aktivitäten im Autohaus werden demnach stark von den Aktivitäten im Neuwagenvertrieb beeinflusst. 2006 dürften die Verkaufsförderungsaktionen über Kurzzulassungen und die starke Penetration von Fiottenfahrzeugen, die anschließend als Gebrauchtwagen vermarktet wurden, deutlich zu den Marktanteitsverschiebungen sowie zum geringfügigen Aufwärtstrend bei den Besitzumschreibungen beigetragen haben. Dieser Trend könnte sich auch 2007 fortsetzen - vor allem weil aufgrund vorgezogener Neuwagenkäufe durch die Mehrwertsteuererhöhung eine Absatzdelle im NW-Markt zu erwarten ist. Die Hersteller werden aller Voraussicht nach auch 2007 auf die erwähnten Marktmechanismen vertrauen und den Markt mit jungen Gebrauchtwagen versorgen.

Die Erträge der GW-Bereiche im Automobilhandel bleiben seit Jahren hinter den Erwartungen zurück. Viele Händler haben daher ihr Handelsmarketing neu ausgerichtet. Blickt man allerdings auf die Marktanteile des Vertragshandels, so dürften diese Anstrengungen ihre Wirkung verfehlt haben.

Vor allem die privaten Verkäufer konnten ihren Absatzmarkt ausbauen. Eine Untersuchung am Institut für Automobilwirtschatt zeigte, dass den Interessenten die Vorteile, die der GW-Kauf beim Vertragshandel mit sich bringt, nicht in vollem Umfang bewusst sind. Die Händler müssen sich verstärkt darin engagieren, ihren Kundennutzen und ihre Preiswürdigkeit im Vergleich zu den Wettbewerbsangeboten im Privatmarkt herauszustellen. Die Untersuchung zeigte auch, dass das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage defizitär ist:
Das durchschnittlich nachgefragte Gebrauchtfahrzeug dürfte knapp sechs Jahre alt sein und 13 400 Euro kosten. Das Durchschnittsangebot im Handel ist dagegen 3,3 Jahre alt und schlägt mit 14 900 Euro zu Buche. Lässt man die Segmente über sechs Jahre außer Acht, die kaum Renditechancen bieten, dann fehlen dem Handel Gebrauchtwagen zwischen drei und sechs Jahren. Aber auch das Angebotsvolumen der ein- bis dreijährigen Fahrzeuge entspricht nicht dem Nachfrageaufkommen.


Prof. Dr. Wolfgang Meinig, Universität Bamberg, Forschungsstelte für Automobilwirtschaft (FAW)

Keine Kunden zweiter Klasse!

Ich glaube sehr wohl, dass die Besitzumschreibungen auch 2007 einen Aufwärtstrend erleben:
Bedingt durch die Mehrwertsteuererhöhung und die allgemeine triste wirtschaftliche Situation für junge Familien, Arbeitslose, Hartz-IV-Betroffene sowie Berufseinsteiger kann zunächst von einem wachsenden Markt für Gebrauchtwagen ausgegangen werden. Dies gilt besonders für strukturschwache Regionen. Hinzu kommt, dass gerade bei uns in Deutschland verstärkt Billig-Autos - z.B. Dacia Logen und auch der neue chinesische Brilliance - mit dem hohen Angebot junger und hochwertiger Gebrauchtwagen konkurrieren. Diese bieten zu einem vergleichbaren Preis u.a. durch besseres Image und bessere Ausstattung einen größeren Kundennutzen.

Allerdings ergeben unsere Umfragen leider immer wieder dass sich Gebrauchtwagenkunden nach wie vor als Kunden zweiter Klasse fühlen. Hier ist bislang das tendenzielle Negativ-Image, dass den Gebrauchten anhaftet, noch nicht beseitigt worden. Auch beobachten wir, dass in den Autohäusern eine gewisse Lustlosigkeit bei den Gebrauchtwagen-Verkäufern herrscht:
Es ist halt immer noch attraktiver, einen Neuwagen zu verkaufen. Hinzu kommt, dass das Thema "Gebrauchtwagen Finanzierung" vernachlässigt wird. Bei unserem jährlichen Dealer Satisfaction Index DSl® werden die "Finanierungs- und Leasingangebote der Herstellerbank zur Finanzierung von Gebrauchtwagen" von den Händlern kaum zufriedenstellend beurteilt. Offenbar sind die Herstellerbanken gegenwärtig intensiver darum bemüht, auf die Wünsche und Bedürfnisse der Neuwagenkunden einzugehen, um die Absatzzahlen wieder nach oben zu pushen. Dabei bleibt der Gebrauchtwagenkunde auf der Strecke. Wenn die Hersteller nicht begreifen, dass ernsthaft betriebenes Gebrauchtwagen-Marketing die solide Grundlage zur Absatzsteigerung von Neufahrzeugen ist, dann haben sie die Zeichen der Zeit nicht richtig erkannt: Denn jeder in Zahlung genommene Gebrauchtwagen ist der Schlüssel zu einem verkauften Neuwagen.

Quelle:
Gebrauchtwagen Praxis